Goethe und Schiller in Weimar

Epoche im Fokus: Weimarer Klassik (ca. 1785-1830)

Auf dem Poesi-Blog stellen wir regelmäßig bedeutende Epochen der deutschen Literaturgeschichte vor. Heute: Die Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik auf einen Blick

Was die Literatur der Weimarer Klassik ausmacht

  • Humanität: „Der Mensch ist gut und erziehbar“
  • Idee der einfachen Harmonie: „edle Einfalt, stille Größe“ (Oeser, Winckelmann), Sprache klar geregelt
  • Oft geschichtliche, antike Kulissen
  • Orientierung an Formen der Antike und anderen langen Traditionen: Epigramme, klassische Dramen, Blankvers, Distichen (Hexameter und Pentameter) usw.
  • Themen: Zeitlosigkeit, Mensch in der Natur und im Kosmos, Natur und Mensch, Individuum, Gesellschaft, Pflichtbewusstsein, Menschlichkeit, Vernunft, Freiheit, Toleranz, Gefühlswelten

Gattungen: Lyrik (Balladen, Hymnen, Oden, Sonette), Drama, (Bildungs-)Roman

Einige Hauptwerke: Faust (Johann Wolfgang von Goethe), Iphigenie auf Tauris (Johann Wolfgang von Goethe), Wallenstein (Friedrich Schiller), Die Bürgschaft (Friedrich Schiller), Briefe zur Beförderung der Humanität (Johann Gottfried Herder), Oberon (Christoph Martin Wieland)

Vertreter: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland, Johann Gottfried Herder


Spätestens im Laufe seiner Italienreise (1786) kehrte sich Johann Wolfgang von Goethe den Ideen und dem Stil des Sturm und Drang ab. Seine mit ihr verbundenen Eindrücke läuteten in den Augen vieler Historiker die Epoche der Weimarer Klassik ein, die in der Folge auch durch Ereignisse wie die Französische Revolution 1789 prägend beeinflusst wurde. Die Epoche, von der man sagt, dass ihre Vertreter nach einer schönen und gebildeten Welt strebten, ist nach dem zentralen Wirkungsort der beiden bedeutenden Vertreter, Schiller und Goethe, benannt – Weimar.

Die beiden, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland wurden auch das „Viergestirn von Weimar“ genannt. Vor allem Goethe und Schiller erkannten in den 1780er und 90er Jahren in ihren Arbeiten Gemeinsamkeiten – es der Beginn einer grandiosen Zusammenarbeit und einer einflussreichen Allianz. Viele Menschen überrascht heutzutage aufgrund des enormen Rufs der Partnerschaft, dass die überaus engagierte Zusammenarbeit von Goethe und Schiller rein beruflicher Natur war. Persönliche Freundschaften wurden nicht gepflegt.

Humanität als zentrale Idee

Die Natur galt der Literatur dieser Epoche als maßgebliches Vorbild. Nicht nur in Gedichten und Dramen, auch in der bildenden Kunst wurde dies zum Ausdruck gebracht – in klassisch anmutenden Skulpturen und Gemälden. Dichtung und künstlerisches Schaffen dienten der Darstellung von aus der Antike geschöpften Idealen, wie z. B. Toleranz und Freiheit. Positive Eigenschaften (z. B. Gerechtigkeit, Gutmütigkeit) sollten durch Kunst und Literatur gleichermaßen vermittelt werden. Dadurch sollte Humanität (Menschlichkeit) verbreitet werden. Ziel der Dichter war das Erreichen eines harmonischen Gleichgewichtes zwischen Gefühlen und Verstand, was nicht zuletzt auch daran deutlich wird, dass die rebellischen Stimmen der vorangegangenen Epoche des „Sturm und Drang“ als unbedeutend markiert wurden. Neue Inspiration fand man im antiken Griechenland, dem man sich nun wieder zuwandte.1Auch nicht direkt zur Weimarer Klassik gehörenden Schriftsteller der Zeit, etwa Heinrich von Kleist und Friedrich Hölderlin, gewonnen neue künstlerische Inspiration aus Texten und Zeugnissen der griechischen Antike.

Das Menschenbild zur Zeit der Weimarer Klassik war positiv. Man ging davon aus, der Mensch sei von sich aus schön und gut. Die Herausbildung eines idealistischen Charakters stand im Mittelpunkt der Bildungsidee. Der Mensch sollte erzogen werden, damit seine Sinne und Tugenden in Einklang miteinander gelangen – Harmonie und Verbundenheit. Ein indes ebenso wichtiger Punkt war das Ideal Freiheit: Die Menschen sollten dazu fähig sein, sich aus Zwängen von selbst befreien zu können.


Die Epoche in einem Zitat:

Des Menschen größtes Verdienst bleibt wohl, wenn er die Umstände soviel als möglich bestimmt und sich so wenig als möglich von ihnen bestimmen lässt. 

Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre

Gedichtbeispiel

Das Göttliche (1783)
von Johann Wolfgang von Goethe

Edel sei der Mensch,
Hülfreich und gut!
Denn das allein
Unterscheidet ihn
Von allen Wesen,
Die wir kennen.

Heil den unbekannten
Höhern Wesen,
Die wir ahnden!
Sein Beispiel lehr’ uns
Jene glauben.

Denn unfühlend
Ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
Über Bös’ und Gute,
Und dem Verbrecher
Glänzen wie dem Besten
Der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme,
Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg,
Und ergreifen,
Vorüber eilend,
Einen um den andern.

Auch so das Glück
Tappt unter die Menge
Faßt bald des Knaben
Lockige Unschuld,
Bald auch den kahlen
Schuldigen Scheitel.

Nach ewigen, ehrnen,
Großen Gesetzen,
Müssen wir alle
Unseres Daseins
Kreise vollenden. 

Nur allein der Mensch
Vermag das Unmögliche:
Er unterscheidet,
Wählet und richtet;
Er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.

Er allein darf
Den Guten lohnen,
Den Bösen strafen;
Heilen und retten
Alles Irrende, Schweifende
Nützlich verbinden.

Und wir verehren
Die Unsterblichen,
Als wären sie Menschen,
Täten im Großen,
Was der Beste im Kleinen
Tut oder möchte.

Der edle Mensch
Sei hülfreich und gut!
Unermüdlich schaff’ er
Das Nützliche, Rechte,
Sei uns ein Vorbild
Jener geahndeten Wesen!


„Das Göttliche“ ist eine Hymne an das oben erwähnte klassische Ideal der Humanität. Sie verleiht dem Glauben an das Gute und Vorbildhafte im Menschen Ausdruck. Zentrale positive menschliche Werte, werden genannt: Edelmut, Hilfsbereitschaft und Güte. Sie machen den Menschen zu etwas Besonderem auf der Welt, die sonst „unfühlend“ ist, ohne Gefühl – aber auch ohne Verstand. Sie machen das Gedicht auch zu einem typischen Beispiel der Weimarer Klassik, die in klaren Worten und Rhythmen Kerneigenschaften des Lebens auf der Erde ausdrücken wollte.

Der Mensch – zwischen Gottheiten und Natur

Der Ausspruch „jener geahnten Wesen“ stellt in diesem Zusammenhang die Nähe des Menschen zum Göttlichen, einer übergeordneten Macht, her. Das Besondere am Menschen ist die Vermittlung zwischen toter Materie und ewiger Dauer. Zusammengefasst manifestiert Goethe die Mündigkeit des Menschen außerdem in der Aussage, dass der Mensch selbst sein Leben in der Hand hat, darüber „unterscheidet, wählet und richtet“. Der Mensch soll nachdenken, über seine Werte und Regeln. So wird er „hülfreich und gut“ – wie es zu Beginn und zum Ende erneut als Ziel formuliert wird.

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