Goethe und Schiller in Weimar

Epoche im Fokus: Sturm und Drang (ca. 1767-1785)

Jeden Monat wird auf dem Poesi-Blog eine Epoche oder Stilrichtung der deutschen Literatur genauer beleuchtet. Dieses Mal im Fokus: Der Sturm und Drang.

Sturm und Drang auf einem Blick

Was den Sturm und Drang ausmacht:

  • Protest, Widerstand gegen die bestehende Weltordnung, Institutionen und Autoritäten
  • Natur als „Spiegel der Seele“; Gefühle und Leidenschaft als Sinnbilder der Stürmer und Dränger
  • Verlangen nach persönlicher Selbstentfaltung und Veränderungen

Gattungen: Drama, Ballade, Volkslied, Gedichte (Oden/Hymnen)

Themen: Leidenschaft, Mut, Freundschaft, Liebe, Gefühlswelt, Rebellion, Religion

Einige Hauptwerke: Die Leiden des jungen Werther (Johann Wolfgang von Goethe, 1774, Briefroman), Erlkönig (Goethe, 1782, Ballade), Lenore (Gottfried August Bürger, Ballade, 1773), Die Soldaten (J. M. R. Lenz, 1776, Drama), Die Räuber (Friedrich Schiller, 1781, Drama)

Vertreter: Johann Gottfried Herder, Jakob Michael Reinhold Lenz, Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Maximilian Klinger, Gottfried August Bürger


Die Literaturepoche „Sturm und Drang“ ist eine literarische Strömung in der Zeit der Aufklärung. Sie wird auch als „Geniezeit“ bezeichnet. Dieser Name basiert auf der Vorstellung vom „Naturgenie“ oder auch „Originalgenie“. Ein solches folgt einzig und allein seinem Herzen und strebt nach einer freien Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Dieses Motiv, getreu dem Idealbild eines Menschen aus Sicht der Stürmer und Dränger, steht im Mittelpunkt zahlreicher Werke aus jener Zeit. 

Sturm und Drang: Alles neu, alles anders

Regeln und Autoritäten werden von einem solchen „Originalgenie“ hinterfragt. Im Gegensatz zur vernunftbetonten Aufklärung sind Gefühl, Leidenschaft und Emotion prägende Motive des Sturm und Drang. Darum formierten sich junge und aufstrebende Dichter und Denker im 18. Jahrhundert zu dieser Protestbewegung gegen bestehende Verhältnisse, Autoritäten und Traditionen. 

Sprachlicher Umbruch

Der Umschwung wurde auch in der Sprache deutlich: Normen vorangehender literarischer Epochen wurden bewusst verdrängt. Vorherrschend war ein jugendlicher, stimmungsabhängiger und dennoch verständlicher Stil. Fantasie und das Beschreiben persönlicher Empfindungen und Gefühle ersetzten alte Muster und Normen, welche den Stürmern und Drängern als Ballast erschienen und von denen man sich zu befreien versuchte. Deshalb sind Werke jener Strömung vor allem emotional, naturverbunden oder revolutionär. Der Wunsch nach Veränderungen in Politik und Gesellschaft – nach Freiheit – war akut.


Die Epoche in einem Zitat

„Ha, er muss in was Besserm stecken, der Reiz des Lebens: denn ein Ball anderer zu sein, ist ein trauriger, niederdrückender Gedanke, eine ewige Sklaverei, eine nur künstlerische, eine vernünftige, aber eben um dessentwillen desto elendere Tierschaft.“

J. M. R. Lenz

Gedichtbeispiel

Prometheus (1774)
von Johann Wolfgang von Goethe

Bedecke deinen Himmel Zeus
Mit Wolkendunst!
Und übe Knabengleich
Der Disteln köpft
An Eichen dich und Bergeshöhn!
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte
Die du nicht gebaut,
Und meinen Herd
Um dessen Glut
Du mich beneidest.

Ich kenne nichts ärmers
Unter der Sonn als euch Götter.
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.

Da ich ein Kind war
Nicht wußte, wo aus wo ein
Kehrt ich mein verirrtes Aug
Zur Sonne als wenn drüber wär
Ein Ohr zu hören meine Klage
Ein Herz wie meins
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir wider
Der Titanen Übermut
Wer rettete vom Tode mich
Von Sklaverei?
Hast du nicht alles selbst vollendet
Heilig glühend Herz
Und glühtest jung und gut
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden dadroben

Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal
Meine Herrn und deine.

Wähntest du etwa
Ich sollte das Leben hassen
In Wüsten fliehen,
Weil nicht
alle Knabenmorgen
Blütenträume reiften.

Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde
Ein Geschlecht das mir gleich sei
Zu leiden, weinen
Genießen und zu freuen sich
Und dein nicht zu achten
Wie ich!


Goethes „Prometheus“: Rebellion und Idealismus

Die für den Sturm und Drang epochentypische Rebellion, hier von Prometheus gegen Zeus, wird direkt im ersten Vers („Bedecke deinen Himmel Zeus“) eingeleitet. Prometheus entspringt dem alten Göttergeschlecht der Titanen. Somit ist dieser Ausspruch durchaus gewagt, lehnt er sich doch damit eindeutig gegen den größten Gott, Zeus, auf. 

Darüber hinaus spielt der Begriff des „Wolkendunstes“ auf die Ansicht an, dass der Göttervater nur vorgebe zu sein, was er eigentlich nicht zu sein vermag. Diese Kritik am Gott wie am Götterkult spitzt sich in den weiteren Strophen mit der Ablehnung des Götterglaubens durch Prometheus zu. Der Götterkult wird als überholt deklariert. 

Der Mensch als Schöpfer seiner selbst

Prometheus schuf der griechischen Mythologie zufolge den ersten Menschen. Dies wird im Ausspruch „Hier sitz ich, forme Menschen“ deutlich. Darin liegt eine weitere Dimension von Goethes Text: Das Gedicht dreht sich um den Prozess des Menschwerdens – von Enttäuschungen ausgehend hin zur Entwicklung eines in sich selbstbewussten und selbstbestimmten Individuums. Mit anderen Worten: Der Mensch soll zur Selbstständigkeit und Mündigkeit erzogen werden. Er ist seinem Schöpfer ähnlich; er ist in der Lage zu fühlen, „zu leiden, weinen“ und für sein Denken und Handeln eigenverantwortlich. Der Mensch ist frei und unbefangen. 

Diese durch Prometheus verkörperten Themen und Motive des Sturm und Drang – das Verlangen nach Individualität, Naturverbundenheit und einem selbstbestimmten Leben ohne Zwänge oder ferner das Hinterfragen von Autoritäten und Macht – sind auch heute noch relevant.


Weiterführende Informationen

Mehr zur Epoche des „Sturm und Drang“ findet sich hier. Weiteres zum charakteristischen Gedicht „Prometheus“ von Goethe kann hier nachgelesen werden. Dieses und viele weitere Gedichte des Sturm und Drang können natürlich auch in der Poesi-App nachgeschlagen werden.

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