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Dichter des Monats: Johann Christian Günther

Johann Christian Günther ist eine Schwellenfigur der deutschen Literaturgeschichte. Thematisch dem Barock verpflichtet, kündet seine Ausdrucksweise bereits von Ideen der Zeit, in der er nur kurz leben durfte: vom 18. Jahrhundert der Aufklärung.


Steckbrief

Geburtstag: 8. April 1695 (Striegau)

Todestag: 15. März 1723 (Jena)

Epoche: zwischen Barock und Aufklärung

Wichtige Werke: An Leonore, Trost-Aria, Ode auf den Frieden von Passarowitz (Gedichte)


Werkbeispiel

Wie viele Gedichte von Johann Christian Günther erschien auch Als er der Phillis einen Ring mit einem Totenkopf überreichte erst nach seinem Tod, in der unten stehenden Fassung im Jahr 1735. Sowohl die Orthografie als auch das Thema des unausweichlichen Todes (memento mori) deuten auf barocke Ausdrucksformen hin. Motive wie der Gegensatz von „Eiß und Flammen“ sind außerdem der Tradition des Petrarkismus entnommen und machen den Text auf den ersten Blick zu einem Liebesgedicht für eine unerreichbare Geliebte.

Doch aus den mit diesen scheinbaren Themen eigentlich verbundenen Mustern des Beweinens allen Irdischen und allen Unglücks bricht Günther immer wieder aus. Kosenamen („Täubchen“) und rhetorische Spielchen („ERschrick nicht“) weisen auf einen heiteren Unterton. Und so endet das Gedicht auch nicht in schierer Verzweiflung, sondern positiver Akzeptanz und ausgestellter Freude am Nutzen des Tags (carpe diem): „Ach, fang den Augenblick noch an!“

Johann Christian Günther: Als er der Phillis einen Ring mit einem Totenkopf überreichte

ERschrick nicht vor dem Liebes-Zeichen,
Es träget unser künfftig Bild,
Vor dem nur die allein erbleichen,
Bey welchen die Vernunfft nichts gilt.
Wie schickt sich aber Eiß und Flammen?
Wie reimt sich Lieb’ und Tod zusammen?
Es schickt und reimt sich gar zu schön,
Denn beyde sind von gleicher Stärke
Und spielen ihre Wunder-Wercke
Mit allen, die auf Erden gehn.

Jch gebe dir diß Pfand zur Lehre:
Das Gold bedeutet feste Treu,
Der Ring daß uns die Zeit verehre,
Die Täubchen, wie vergnügt man sey;
Der Kopff erinnert dich des Lebens,
Jm Grab ist aller Wunsch vergebens,
Drum lieb’ und lebe, weil man kan,
Wer weiß, wie bald wir wandern müssen!
Das Leben steckt im treuen Küssen,
Ach fang den Augenblick noch an!


Web-Tipp zu Günther

SWR 2 hat im vergangenen Winter eine Einlesung eines Gedichts von Johann Christian Günther ausgestrahlt. Sie wurde von Otto Sander im Jahr 2001 eingelesen und kann hier zum Kennenlernen von Günthers Sprache und Ausdruckskraft angehört werden. Auch eine kleine Einleitung zum Lesen gibt es.


Poesi: Dichter des Monats 2020

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