Antike Säulen Klassik

Friedrich Schiller: Nänie

Nänie von Friedrich Schiller ist ein Paradebeispiel für die Lyrik der Weimarer Klassik. Ihm gilt die heutige Poesi-Gedichtinterpretation.

Nänie wurde 1799 geschrieben und 1800 veröffentlicht. Formal erinnert es an die antike Tradition des Klagelieds. Konkret beklagt wird das Sterben alles Schönen und Lebendigen. Um die Notwendigkeit des Vergehens allen Lebens zu illustrieren, wird dies anhand von Beispielen aus der griechischen Mythologie genauer thematisiert.

Kurze Auslegungen von Gedichten der deutschen und englischen Literaturgeschichte erscheinen regelmäßig auf diesem Blog. Dabei werden am Text mit Fußnoten schwierige Wendungen und Begriffe erklärt. Anschließend folgen Inhaltsangabe und Gedichtanalyse. Diese und weitere Interpretationen werden auch bald als Lektürehilfen für Schüler, Studierende und andere Interessierte in der App verfügbar sein.


Friedrich Schiller: Nänie

Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter bezwinget,
Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus.1Hades, der griechische Gott der Unterwelt.
Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher,
Und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk.2Anspielung auf den Mythos von Orpheus und Eurydike, zu finden in Ovids Metamorphosen, Buch 10, 1–105.
Nicht stillt Afrodite dem schönen Knaben die Wunde,
Die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt.3Anspielung auf den Mythos von Aphrodite und Adonis, Metamorphosen, Buch 10, 520ff.
Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
Wann er, am skäischen Thor fallend, sein Schicksal erfüllt.4Anspielung auf den Tod von Achilles im trojanischen Krieg. Seine Mutter Thetis ist eine Meeresnymphe („Tochter des [Meeresgotts] Nereus“) und unsterblich.
Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,
Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu seyn im Mund der Geliebten, ist herrlich,
Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus5In der griechischen Mythologie ein Gott der Unterwelt. O. hat sich als Synonym für die Unterwelt im Allgemeinen etabliert. hinab.


Interpretation von Nänie

Schillers Gedicht besteht aus einer Versgruppe,6D.h. es besteht nicht aus mehreren Strophen. umfasst 14 Verse und ist in klassisch elegischen Distichen geschrieben. Die Versmaße Hexameter und Pentameter wechseln sich ab, die Versenden sind reimlos.

Das Thema der Klage wird im ersten Vers etabliert, mit dem Ausruf: „Auch das Schöne muß sterben!“ Der Tod, personifiziert durch den griechischen Unterweltsgott Hades, sucht jeden heim. Nur eine halbe Ausnahme gibt es in Eurydike, die von Orpheus aus der Unterwelt geholt wurde. Aber auch sie starb, weil sie sich entgegen der Regeln der Götter beim Hinausgang aus der Unterwelt umdrehte.

Auch Adonis und Achilles sind sterblich

Zwei weitere Beispiele für die Unbarmherzigkeit des Todes folgen. Adonis, der menschliche Geliebte von Aphrodite, muss ebenso wie der Held Achilles sterben. Die Klage um seinen Tod im Kampf um Troja leitet den zweiten Teil des Gedichts ab Vers 9 ein. Und dort klagt Achilles’ Mutter, die nicht namentlich genannte Meernymphe Thetis, um ihn. Sie tut dies mit weiteren Meeresgöttinnen, „allen Töchtern des Nereus“. Deshalb sind die Götter sehr gerührt und sie weinen darum, „[d]aß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.“

Gesang statt Stille

Nänie endet trotz dieser tragischen Einsicht auf einer positiven Note. Denn „[a]uch ein Klaglied zu seyn im Mund der Geliebten, ist herrlich, / Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.“ Es ist besser, so schließt Schiller, wie griechische Helden – oder generell geliebte Menschen – besungen zu werden, als ohne Lied zu sterben, das an einen erinnert. Dadurch wird das Gedicht zuletzt zu einem Lob auf die Dichtung. Lieder, wie ja auch Nänie eines ist, vermögen durch die Unausweichlichkeit des Todes verursachte Schmerzen ein wenig zu lindern.

Foto: Pixabay

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